Wenn Autos mit Autos sprechen

Wenn Autos mit Autos sprechen

Wenn Autos mit Autos sprechen

 

Michael Loibner brachte am 22.09.2022 in „diePresse“ einen Report über Smart Streets, wofür er unter anderem mit der ATTC Vorstandsvorsitzenden Jacqueline Erhart (ASFINAG) gesprochen hat.

 

„Die Presse“ vom 22.09.2022 Seite: 15 Ressort: Report Von: Michael Loibner Österreich, Morgen

 

Smart Streets. Sensortechnologien, künstliche Intelligenz und das Internet der Dinge sollen den Verkehr sicherer und umweltverträglicher machen. Österreich ist in der Pole-Position.

von Michael Loibner

 

Weniger Unfälle, weniger Staus, weniger Schadstoffemissionen — das sind die Ziele, wenn es darum geht, den Straßenverkehr zu optimieren. Beitragen dazu soll das Konzept der „intelligenten Straße“: Autos, die untereinander und mit ihrer Umgebung kommunizieren und auf diese Weise sicher, flüssig und umweltfreundlich von A nach B gelangen. Was wie eine Utopie klingen mag, ist möglicherweise gar nicht so weit entfernt. Europaweit laufen harmonisierte Forschungsanstrengungen, um „Smart Streets“ Wirklichkeit werden zu lassen. Und Österreich spielt dabei eine wichtige Rolle.

 

Koordination durch Österreich

 

Das internationale „Cooperative Intelligent Roads“-Projekt, das sich die Schaffung von Standards und Services für einen automatisierten Verkehr zum Ziel gesetzt hat, wird von Österreich koordiniert. Teile der Automobilindustrie sowie Forschungsinstitutionen, Straßenbetreiber und öffentliche Einrichtungen haben sich, wie in anderen Ländern auch, zusammengeschlossen, um die Technologien, die die Kommunikation zwischen digitaler Straßeninfrastruktur und den Fahrzeugen ermöglichen, voranzutreiben und zu implementieren. Als branchenübergreifender Kompetenzbündler versteht sich der Austrian Traffic Telematics Cluster (ATTC), der 28 Unternehmen aus Wirtschaft und Industrie vereint. Jacqueline Erhart, Teamleiterin für kooperatives, vernetztes und automatisiertes Fahren sowie für Digitale Infrastruktur beim Cluster-Lead Asfinag, verrät: „Österreich wird das erste Land in Europa sein, das alle seine Autobahnen mit der nötigen Technologie versieht, um automatisierte und vernetzte Mobilität zu ermöglichen.“ Bis Jahresende soll die Strecke zwischen Wien und Salzburg voll aufgerüstet sein, bis 2025 das gesamte Netz.

 

Was die Autobahnen zu „intelligenten Straßen“ machen wird? „Wir lassen sie mit den Autos sprechen. Es wird punktgenaue Verkehrsinformationen geben, beispielsweise über Baustellen oder herannahende Einsatzfahrzeuge, die aber nur jene Fahrer bekommen, die die jeweilige Information betrifft“, erläutert Erhart. Im Durchschnitt alle vier Kilometer werden dafür Wlan-Boxen aufgestellt. Die Informationen werden in Echtzeit ins Steuerungsmenü des Fahrzeugs gespielt. Im nächsten Schritt soll die Straßeninfrastruktur mit neuester Sensortechnologie ausgestattet werden „und damit das Blickfeld des Fahrzeugs erweitern.“ Nahe Graz ist derzeit eine Teststrecke eingerichtet. Erhart: „Die von der Infrastruktur bereitgestellte Information kann die Assistenzsysteme der Fahrzeuge und damit auch autonomes Fahren unterstützen.“ Die „Smart, Safe and Green Mobility Initiative“ unter Führung des niederösterreichischen Straßenbeleuchtungs- und Ampelherstellers Fontasch hat „Smart-Street-Masten“ entwickelt, die unter anderem mit derartigen Sensoren erweitert werden können. „Durch den Einbau innovativer Technik wird aus einem normalen Mast ein autarkes, mitdenkendes Produkt“, sagt Unternehmenseigentümerin Marie-Luise Fontasch. Teststraßen in Melk zeigten, dass das funktioniert.

 

Damit das Smart-Street-Konzept umsetzbar ist, bedarf es aber nicht nur intelligenter Infrastruktur, sondern auch entsprechender Technik in den Autos. Kay Römer, Leiter des Instituts für Technische Informatik an der TU Graz: „Die große Herausforderung ist die Entwicklung einer zu hundert Prozent zuverlässigen Technologie. Damit ein vernetztes Fahren reibungslos funktioniert, muss unter anderem die Kommunikation zwischen den Fahrzeugen und Geräten verschiedener Hersteller aufeinander abgestimmt sein. Und wenn es beispielsweise um die Positionsbestimmung geht, muss diese zentimetergenau erfolgen.“

 

Fahren im „Konvoi“

 

An der TU wurde ein Verfahren entwickelt, das Reflexionen bei der Funkübertragung nicht als Störquelle sieht, sondern sie nutzt, um den Standort eines Fahrzeugs präzise zu berechnen. Das ist Voraussetzung für das „automatisierte Konvoifahren“, das von Römer und seinem Team in Modellversuchen getestet wurde und für Pkw im zähflüssigen Verkehr Anwendung finden könnte. Damit Autos in knappem Abstand automatisiert hintereinanderfahren können, ohne dass es zu Unfällen kommt, verfolgt jedes Fahrzeug mit Sensoren das jeweils vorausfahrende Auto und kommuniziert mit diesem. „Durch den geringen Abstand, der mit Menschen am Lenkrad nicht möglich wäre, verringert sich der Luftwiderstand und in weiterer Folge der Treibstoffverbrauch“, sagt Römer.

 

Darüber hinaus laufen derzeit auch an anderen Forschungseinrichtungen zahlreiche Projekte zur „intelligenten Straße“. „Damit ist Österreich dank seiner Innovationskraft und dank seines Expertenwissens international ganz vorne dabei“, sagt Erhart.